Fit for the future
Was treibt die Entwicklungen im Gesundheitssektor im Rheinland voran? Zum Beispiel die Aktivitäten des Branchenverbands BioRiver und des Deutschen Diabetes-Zentrums.
Alles hängt mit allem zusammen.“ So lautete eine wichtige Erkenntnis von Alexander von Humboldt. Was der Universalgelehrte aber vor über 200 Jahren noch nicht ahnte, war, mit welchen Methoden sich diese Zusammenhänge unseres Daseins im 21. Jahrhundert erforschen lassen. Der Bereich Life Sciences, der sich interdisziplinär mit Strukturen und Verhalten lebender Organismen beschäftigt, ist hierfür wohl ein Paradebeispiel. Ebenso die Biotechnologie, die an technologischen Mitteln zur Entwicklung neuer Medikamente, Therapien oder Diagnosemethoden forscht.
Um aber zu verstehen, wie genau alles ineinandergreift, und Lösungen für die Zukunft zu entwickeln, braucht es entweder einen genialen Universalgelehrten oder – womöglich noch besser – mehrere Akteure, die zusammenarbeiten. Im Rheinland bringt sie der Verband BioRiver an einen Tisch: junge und etablierte Unternehmen aus der Life-Sciences- und der Biotech-Branche. Auch Universitäten, akademische Forschungseinrichtungen, Dienstleister und Zulieferer haben sich der Idee angeschlossen. 105 Mitglieder zählt der Verband insgesamt. Ihr Ziel ist es, voneinander zu lernen und gemeinsame Projekte auf die Beine zu stellen. Der Arbeitskreis IT beispielsweise befasst sich mit den digitalen Themen der Branche wie der Geräteintegration im Labor, Augmented Reality und anderen IT-Lösungen. Beim virtuellen Gründerdialog kommen regelmäßig Start-ups zusammen und tauschen sich aus. Besondere Aufmerksamkeit erfahren sie beim Wettbewerb BioRiver Boost, der jährlich die innovativsten Ideen der Branche auszeichnet, darunter zum Beispiel 2020 das Düsseldorfer Start-up Dermanostic (Seite 34). „Bei unseren Gründeraktivitäten stellen regelmäßig auch bereits etablierte Unternehmen ihre Expertise zur Verfügung. Daraus entsteht ein lebendiges Netzwerk, das gerade junge Start-ups sehr motiviert“, sagt Dr. Frauke Hangen, Geschäftsführerin von BioRiver. Ziel sei es vor allem, das Netzwerk der Branche, inklusive aller Dienstleister, Zulieferer und Berater, so attraktiv zu machen, dass Gründer sich dazu entscheiden, sich im Rheinland anzusiedeln und dass sich auch Unternehmen jeder Größe in diesen „Hotspots“ niederlassen. Um die Innovationsfreude junger Unternehmen im Gesundheitssektor weiter zu fördern, soll der Wettbewerb BioRiver Boost künftig auf Europa ausgeweitet werden.
„Wir sehen im Strukturwandel Eine große Chance, um die biomedizinische Kompetenz in der Region auszubauen.”
Auch der Kohleausstieg und der damit verbundene Strukturwandel im rheinischen Revier sind ein wichtiges Thema für BioRiver. „Wir sehen hierin eine große Chance, um neue Technologien voranzubringen und die biomedizinische Kompetenz in der Region auszubauen“, so Hangen. Durch die gezielte Zusammenarbeit von Biotech- und Pharmaunternehmen, Start-ups und akademischen Einrichtungen könnte eine neue Infrastruktur geschaffen werden. Hierdurch ließen sich zum Beispiel innovative Entwicklungen zur Behandlung von Krebs-, neurodegenerativen und Infektionserkrankungen beschleunigen. Patienten könnten auf diese Weise zügiger von neuartigen Therapien und Diagnosemethoden profitieren. Die hohe Dichte und Expertise von Kliniken, Forschungseinrichtungen und biomedizinischer Industrie macht NRW, insbesondere die Rheinregion, hierfür aus Sicht von BioRiver zu einem idealen Standort für den Ausbau der Biotech-Branche.
Die Zukunft klingt also ganz vielversprechend. Auch wenn uns Covid-19 wohl noch weiter beschäftigen wird. Hier könnte Humboldts Erkenntnis, dass alles mit allem zusammenhängt, leider ebenfalls gelten: Die Zunahme an Depressionen und anderen psychischen Leiden etwa ist in vielen Fällen ihrerseits wieder eine Folge der Pandemie. Auch der Einfluss auf andere Krankheitsbilder ist nicht zu unterschätzen. So warnt die Deutsche Parkinson Vereinigung vor einer Welle neurodegenerativer Erkrankungen, die als Langzeit-Folgen von Covid-19-Infektionen in den kommenden Jahren anrollen könnte. Über den Zusammenhang zwischen Covid-19 und Diabetes forscht das Deutsche Diabetes-Zentrum (DDZ) / Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf: In einer aktuellen Studie haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler festgestellt, dass für Personen mit Diabetes und SARS-CoV-2-Infektion das männliche Geschlecht, ein höheres Alter, ein hoher Blutglukose-Spiegel, die chronische Behandlung mit Insulin sowie bestehende Begleiterkrankungen Risikofaktoren für einen schweren Covid-19-Verlauf sein könnten. Um die Aussagekraft der Erkenntnisse zu stärken, will das DDZ weitere Studien durchführen. Die Voraussetzungen am Standort Düsseldorf sind gut: „Hier besteht eine exzellente Infrastruktur durch Vernetzung mit der Heinrich-Heine-Universität und dem Leibniz-Institut für umweltmedizinische Forschung“, sagt Prof. Dr. Dan Ziegler, Stellvertretender Direktor des Instituts für Klinische Diabetologie am DDZ. „Das eröffnet uns zahlreiche wissenschaftliche Möglichkeiten: von Grundlagenforschung bis hin zu bevölkerungs- und versorgungsbezogener Forschung.“
Weitere Erkenntnisse für die Diabetes-Forschung verspricht sich das DDZ künftig auch durch die Vernetzung mit der Kardiologie in Form des Neubaus CARDDIAB („Cardiovascular Research in Diabetes and Metabolic Disorders”) am Universitätsklinikum Düsseldorf. Zudem nimmt das DDZ als eine von mehreren Forschungseinrichtungen an der NAKO Gesundheitsstudie teil, einer Langzeit-Bevölkerungsstudie, die die Ursachen für die Entstehung von Volkskrankheiten, zum Beispiel Krebs, Infektionskrankheiten, Herzinfarkt und eben Diabetes, erforscht und die Gesundheitssituation in Deutschland langfristig verbessern soll. Am DDZ in Düsseldorf Bilk befindet sich eines der insgesamt 18 Studienzentren, die bundesweit an der NAKO Studie teilnehmen. Dan Ziegler ist überzeugt: „So eröffnen sich am Standort Düsseldorf Forschungsperspektiven für die nächsten Jahrzehnte.“ •
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Die virtuellen Gründerdialoge des Branchenverbands BioRiver richten sich an alle Life-Science-Start-ups aus dem Rheinland und finden regelmäßig mit wechselnden Schwerpunktthemen statt. Die Teilnahme ist kostenlos. Termine und Anmeldungen unter Tel. 0211 3160610 oder per Mail an bioriver@bioriver.de.
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Interview Elena Winter
Pictures PR