Bildung für die Zukunft


Digitale Kompetenzen werden bereits heute mehr verlangt als jemals zuvor. Doch in Zukunft wird sich diese Entwicklung noch verschärfen. Denn wir wissen jetzt schon, dass heute erworbene 
Fähigkeiten in wenigen Jahren nicht mehr ausreichen werden, das Jetzt zu verstehen. Permanente Weiterbildung ist deshalb gefragter denn je.

Schule verändern ist für uns vor allem 
Mittel zum Zweck.


Eigentlich ist es doch paradox. Seit Jahrzehnten wird darüber gesprochen, wie wichtig Bildung doch für die Gegenwart und Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland ist, Gleichzeitig tun sich sowohl Bund als auch Länder schwer, das derzeitige System zu verändern oder darin zu investieren. Obwohl die Kritik daran nicht erst in den letzten Jahren lauter wird. 

Gerade die Digitalisierung macht eine Veränderung des bestehenden Systems unabdingbar. So kommt nach einer aktuellen Forsa-Studie die digitale Bildung nach Ansicht der meisten Deutschen in den Schulen zu kurz. Mehr als zwei Drittel der Befragten gaben an, dass sich die Politik nicht darum kümmert. 72 Prozent halten Lehrer für nicht gut vorbereitet für den Einsatz digitaler Lern-  und Lehrmethoden. 

Doch das Thema betrifft nicht nur die Schulen: Die Digitalisierung verändert die Art unserer Jobs, neue Technologien erfordern Beweglichkeit und die Entwicklung neuer Kompetenzen – auf persönlicher, aber auch auf organisatorischer Ebene. Studien gehen davon aus, dass mehr als die Hälfte der heutigen Grundschulkinder später in Jobs arbeiten werden, die es gegenwärtig noch gar nicht gibt. Zugleich ist es bereits jetzt so, dass die Halbwertszeit von im Job geforderten Fähigkeiten sinkt. Und de facto ist es auch so, dass in vielen Unternehmen so gut wie keine echte „Lernzeit“ vorgesehen ist – Mitarbeiter also viel zu wenig Möglichkeiten haben, sich selbst Fähigkeiten anzueignen, die sie für ihre Tätigkeiten benötigen.

Roman Rüdiger, Gründer Education Y

Roman Rüdiger, Gründer Education Y

Doch es gibt Menschen, die an diesem Problem seit Jahren arbeiten. Einer davon ist Roman Rüdiger. Er ist Gründer und geschäftsführender Vorstand von Education Y, einer Initiative, die sich seit mehr als zehn Jahren damit beschäftigt, wie Kinder und Jugendliche besser auf die Anforderungen des 21. Jahrhunderts vorbereitet werden können. „Wie können Menschen ihre Potenziale nutzen und das Maximum aus sich herausholen – das ist die große Frage, die mich schon immer antreibt“, sagt Rüdiger, Sozialpädagoge und Sozialmanager, der nach vielen Ehrenämtern in Jugendverbänden bei der Arbeiterwohlfahrt arbeitete, bevor er sein Unternehmen gründete.

In verschiedenen Programmen setzt Rüdiger mit Education Y dabei direkt an den Schulen an. Mit „buddY“ werden Lehrer befähigt, Entwicklungs- und Veränderungsprozesse an Schulen durchzuführen; das familY-Programm unterstützt Eltern und die aktuelle Initiative „Pacemaker“ schickt Trainer und Coaches direkt in die Schulen, um Lehrerinnen und Lehrer während der Unterrichtszeit fortzubilden und auch Schülerinnen und Schüler zu versierten Ansprechpartnern für die technische Unterstützung zu machen. „Parallel dazu wollen wir die Organisationsbedingungen an den Schulen verbessern. Aktuell wird das Projekt an fünf weiterführenden Schulen in Düsseldorf durchgeführt. Schule verändern ist für uns vor allem Mittel zum Zweck“, sagt Rüdiger.

Schule verändern ist das eine, doch auch im Arbeitsleben spielt das Thema Bildung und Weiterbildung bisher noch immer eine untergeordnete Rolle. „Unsere Welt ist extrem volatil geworden, die Anforderungen an jeden von uns sind komplex und wir haben keine Erfahrungswerte darüber, was eigentlich auf uns zukommt“, analysiert Rüdiger. Im November kündigte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek eine nationale Weiterbildungsstrategie an. „Fort- und Weiterbildungen müssen für jeden Einzelnen eine Selbstverständlichkeit werden“, so die Ministerin.

Jeder weiß: Fortbildungsprogramme müssen richtig aufgesetzt werden. Denn wenn die wochenlange Schulung nicht nah an der Praxis ist oder die erlernten Fähigkeiten nicht angewendet werden können, verpuffen sie sofort. Auch Roman Rüdiger beschäftigt diese Frage seit einiger Zeit. „Wer bei Menschen Haltung verändern will, der muss ihnen ermöglichen, neue Erfahrungen zu machen“, so sein Ansatz.

Wer bei Menschen 
Haltung verändern 
will, der muss Ihnen 
ermöglichen, neue 
Erfahrungen zu 
machen.

Im Sommer 2018 gründete er dafür mit einem Jugendfreund talent:digital. Dahinter entsteht derzeit eine Plattform, die Unternehmen und ihren Mitarbeitern die Möglichkeit gibt, einerseits herauszufinden, welche digitalen Kompetenzen bereits vorhanden sind, gleichzeitig aber auch ein digitales Mindset zu entwickeln.

Doch welche Kompetenzen sind eigentlich im 
digitalen Zeitalter gefragt? Rüdiger bedient sich dabei des Schemas der Europäischen Kommission „DigCom 2.1“, das insgesamt 21 verschiedene Kompetenzen identifiziert hat, die sich in fünf Bereiche zusammenfassen lassen: Informations- und Datenkompetenz, Kommunikation und Zusammenarbeit, Erstellen von digitalen Inhalten, Schutz und Sicherheit, Lösung von Problemen.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch das Start-up Humovo, das die Düsseldorfer Manager Steffen Brandt, Stefan Kniess und André Schieck 2017 gegründet haben: Sie bieten eine „Wissen-as-a-Service-Plattform“, mit der Unternehmen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter qualifizieren können – zu welchen Themen auch immer. Gemeinsam werden Module entwickelt, die dann in kleinen Paketen – sogenannten Brain Snacks – geräteunabhängig bearbeitet werden können. Der Ansatz: Wissensvermittlung soll jeden Tag in den Arbeitsalltag integriert werden.

Weiterbildung direkt am Arbeitsplatz – das ist ein Ansatz, den auch andere Düsseldorfer Unternehmen bereits praktizieren. So veranstaltet die Kreativ-Agentur Grey regelmäßige „Inspiration Coffees“, bei denen oft ein externer Referent einen Vortrag hält und jeder Mitarbeiter der Agentur teilnehmen kann. Bei der Rheinischen Post gibt es monatlich eine sogenannte „Lernzeit“. Die Handelsblatt Media Group bietet auf „Campus Success“ mehr als 8.000 Trainings an. 

Man kann nur hoffen, dass diese und ähnliche Initiativen das Umdenken vorantreiben, wie wir lernen. Und das muss wiederum schnell rein in die Schulen. „Ändern wir nicht, wie wir unterrichten, dann haben wir in 30 Jahren große Probleme“, sagt selbst Jack Ma, CEO des Handelsgiganten Alibaba, auf dem Weltwirtschaftsforum Anfang 2018. Er ist selbst ausgebildeter Lehrer. Viel wichtiger sei es, Kindern Dinge wie Werte, Überzeugung, unabhängiges Denken, Teamwork und Mitgefühl zu vermitteln. „Wir können Kindern nicht beibringen, mit Maschinen zu konkurrieren.“ •

www.education-y.de
www.humovo.com

UMSETZUNG VON DIG COMP 2.1
Die fünf Kompetenzbereiche

  • Informations- und Datenkompetenz

  • Kommunikation und Kollaboration

  • Erstellen von digitalen Inhalten

  • Schutz und Sicherheit

  • Lösung von Problemen


Autor: Franziska Bluhm