Because We Can

Laura Winterling ist studierte Physikerin, arbeitete zehn Jahre als Astronautentrainerin im Europäischen Astronautenzentrumin Köln und ist mittlerweile mit ihrer Firma Space Time Concepts selbstständig. Sie reist um die Welt und motiviert die Menschen vor allem, neugierig zu bleiben und das umzusetzen, was sie zufrieden macht. VIVID hat sich mit der 38-Jährigen in einem Nachbau der Sojuskapsel zum Interview getroffen. 

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Immer den Kopf in den Wolken haben,
neugierig bleiben.
Wenn wir alles wüssten, dann bräuchten wir morgens nicht mehr aufstehen.

Meine Oma hat mir mit ungefähr sechs Jahren mein erstes ,Was-ist-was-Buch – Die Sonne‘ geschenkt. Da habe ich mich das erste Mal mit unserer Erde auseinandergesetzt und verstanden, dass da draußen ganz andere Dinge am Werk sind. Nicht nur Mama, Papa, Garten und Katze. Ich habe meine Eltern dazu genötigt, mit mir im Garten zu übernachten und Sterne zu beobachten“, erzählt uns Laura Winterling.

Wir treffen die Wahlkölnerin im EAC. Das Europäische Astronautenzentrum vor den Toren Kölns. Das Zentrum gehört zur ESA, der „European Space Agency“. In Köln werden alle Astronauten trainiert, die einen Flug zur internationalen Raumstation ISS sicher haben. „Wir sind hier Lehrer für große Kinder mit großen Träumen“, erklärt Winterling, die bei einer Exkursion zur ESA während des Studiums eine Offenbarung erlebte und dadurch ihre Berufung fand. Während ihres Physikstudiums hatte sie noch keine Ahnung, was sie mal beruflich machen wollte. Ihre kindliche Faszination für das Sonnensystem war in Vergessenheit geraten, bis sie mit 24 Jahren im Foyer der EAC stand. „Als ich hier hereinkam, wusste ich schlagartig, was ich machen wollte, als ob mir jemand meine Augenbinde abgenommen hätte, als wenn jemand Farbe in den Schwarz-Weiß-Fernseher reingedreht hätte. Es war eine Offenbarung, aber es war auch schrecklich, denn ich wusste, wo ich hin will, aber ich wusste nicht wie. Wie wird man Astronautentrainerin?“, fragte sich Winterling. 

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Tatsächlich wurde in Köln ein Astronautentrainer gesucht. Sie bewarb sich nach dem Physikstudium, so wie 100 andere auch – und bekam den Job. Ihren Traumjob. In ihrer Zeit als Astronautentrainerin schulte sie mehr als 80 Astronauten. „Wir haben für unsere Astronauten hier einen Nachbau der Sojus-kapsel. Denn sie müssen unter anderem lernen, wie man mit knapp 28.000 km/h an ein anderes Raumschiff, das genauso schnell unterwegs ist, andockt.“ Man kann sich die Raumstation wie ein großes Ferienhaus vorstellen. Winterling kennt die europäischen Zimmer des Ferienhauses auswendig, weiß, wie man die Klimaanlage repariert oder in welcher Schublade die Löffel liegen. Sie schulte die Astronauten in allen Systemen des Transportraumschiffs ATV und machte sie für das Weltraumforschungslabor Columbus fit.  

Ihre Faszination für die Dinge, die den ganzen Tag über unseren Köpfen stattfinden, möchte Winterling mit anderen Menschen teilen. Deshalb hat sie ihre Firma Space Time Concepts gegründet. Sie organisiert Führungen im Astronautenzentrum, denn viele möchten wissen, wo und wie Astro Alex die Schulbank gedrückt hat. Sie konzipiert Touren zu Raketenstarts in die kasachische Wüste und hält Vorträge von Köln bis Neuseeland. Denn Raumfahrt ist so viel mehr als das, was wir auf Anhieb damit in Verbindung bringen. „Früher haben wir unsere Wäsche auf einem Waschbrett geschrubbt, heute haben wir eine Waschmaschine. Auf dem Weg dorthin haben wir so viele andere Produkte erfunden, die uns unser tägliches Leben auf die unterschiedlichsten Arten erleichtern. In allen Lebensbereichen greift dieses Prinzip, und so haben sich auch in und wegen der Raumfahrt andere Technologien entwickelt, die man jetzt vielleicht gar nicht mehr mit der Raumfahrt in Verbindung bringt. Unsere Autos sind schneller, unsere Flug­zeuge viel leichter. Die Menschen machen sich keine Gedanken, warum man plötzlich für 40 Euro nach Mallorca fliegen kann“, erklärt Winterling. 

Vor einigen Jahrzehnten war eine Flugreise noch der Elite vorbehalten, heute ist Fliegen völlig normal. So wird es auch mit der Raumfahrt sein, da ist sich die Laura Winterling sicher. Raumfahrt ist keine Science-Fiction-Vorstellung mehr. „Wir sind ein Kochtopf auf der Herdplatte und wir sind kurz vorm Kochen. Die kommerzielle Raumfahrt ist vor dem Durchbruch und wir brauchen so große und kreative Denker wie Elon Musk, den alle anderen für verrückt halten. Vielleicht ist es in zehn Jahren völlig normal, sich auf einen Kaffee in Sydney zu treffen und am Abend wieder zu Hause zu sein, weil man nur drei Stunden Flugzeit hat.“

Bis es so weit ist, reist Laura Winterling noch in herkömmlicher Geschwindigkeit um die Welt und begeistert die Menschen nicht nur mit ihren Raumfahrtgeschichten, sondern ermutigt auch alle ihre Zuhörer, an sich zu glauben und die eigenen Ziele zu verfolgen. „Immer den Kopf in den Wolken haben, neugierig bleiben. Wenn wir alles wüssten, dann bräuchten wir morgens nicht mehr aufstehen.“ Winterling bleibt neugierig, sie möchte auf jeden Fall ins All fliegen. Ob als Astronautin oder All-Touristin werden wir dann sehen. •

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VITA Laura Winterling

Abitur 
2000 Bayreuth

Studium 
2000–2001 West Palm Beach, Florida
2001–2007 Bayreuth, Diplom Physik 

Job 
2007–2008 Astronaut Support Officer EAC 
2008–2016 Astronaut Instructor ESA, EAC  

Seit Juni 2016 „selbst & ständig in Köln und der Welt unterwegs“. Geschäftsführende Gesellschafterin Space Time Concepts GmbH 

www.spacetimeconcepts.com

 


Autor: Britt Wandhöfer 

Foto: Sarah Mikeleitis