Künstliche Problemlösung
Wie kann uns Künstliche Intelligenz bei Entscheidungen helfen? Forscher der Heinrich-Heine-Universität haben sich zusammengetan, um diese Frage zu beantworten und damit auch Erkenntnisse fürs Arbeitsleben zu bekommen. Ein Gespräch mit Prof. Dr. Barbara E. Weißenberger vom Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre/Accounting der Uni.
Saudi-Arabien hat den Roboter „Sophia“ 2017 zum Staatsbürger ernannt. Damit hat Künstliche Intelligenz (KI) einen Status erhalten, der bisher nur Menschen vorbehalten war. Was sagt diese Entwicklung über unser Verständnis vom Menschen und unser Verhältnis zur Technik aus?
Seit es den Menschen gibt, nutzt er die Technik, um damit seine körperliche Kraft zu unterstützen oder zu ersetzen. Dieser Einsatz der Technik hat uns bisher keine Angst gemacht. Jetzt aber geht es seit einigen Jahren auch um unseren Intellekt! Und was die Technik hier mittlerweile kann, fasziniert und ängstigt die Menschen gleichermaßen. Die Befürchtung, dass Roboter uns irgendwann überlegen sein könnten, halte ich aber für überzogen. Bestimmte geistige Fähigkeiten werden uns zumindest noch für eine sehr lange Zeit von anderen unterscheiden. So haben wir ein Bewusstsein und sind in der Lage, uns Ziele zu setzen. Noch dazu haben wir eine Vorstellung davon, was richtig oder falsch ist. Wir haben Emotionen. Und: Wir sind kreativ, wir können die Welt gestalten. Das heißt auch: Wir können Sophia eine Staatsbürgerschaft verleihen – oder es eben lassen. Der Roboter selbst ist dazu nicht in der Lage. Diese Nachricht von der Staatsbürgerschaft war daher wohl nicht mehr als ein Marketinggag, und ich bin sicher, dass sie unser Verständnis vom Menschen und unser Verhältnis zur Technik nicht infrage stellt.
In Ihrer Forschungsgruppe an der Heinrich-Heine-Universität (s. Kasten) beschäftigten Sie sich unter anderem damit, wie KI eine gute Unternehmensführung unterstützen kann. Können Sie uns dazu schon etwas verraten?
Wir wissen, dass sich KI für standardisierte Problemstellungen eignet. Auf Managementebene geht es aber auch um viele andere, nicht festgelegte Dinge: um das Entwickeln von Visionen, Leitbildern und Strategien zum Beispiel. Oder auch um Menschenkenntnis und Mitarbeitermotivation. Hierfür sind vor allem soziale, kreative und emotionale Kompetenzen gefragt. Und da hilft Ihnen kein Algorithmus! Daneben haben Führungskräfte aber auch mit anderen Aufgaben zu tun, etwa mit der Erstellung von Prognosen oder mit der Erfolgskontrolle. Unsere Frage ist: Wo liegt in diesem Bereich der klassischen Unternehmenssteuerung das Standardisierungspotenzial und wo kann der Einsatz von KI daher sinnvoll sein?
Wie sieht es in anderen Abteilungen innerhalb von Unternehmen aus? Was sollte KI hier leisten? Und wo sind ihre Grenzen?
KI kann und sollte Mitarbeiter bei Routinetätigkeiten unterstützen. Sie ist in der Lage, Daten zu sammeln, Muster zu erkennen und auf verschiedene Wissensfelder zu übertragen. Das spielt etwa im Vertrieb bei der Analyse von Kundendaten eine Rolle. KI sieht hier wichtige Korrelationen – und das ist etwas, das uns Menschen schwerfällt, da wir nicht mit großen Datenmengen umgehen können. Der Knackpunkt ist aber: KI kennt eben nur diese Korrelationen und keine Kausalitäten. Sie hat kein eigenes Bild von der Welt. Sie kann nicht hinterfragen, wie die Dinge zusammenhängen und was die Gründe sein könnten. Das heißt: Ihr fehlen Verständnis und Weisheit.
Also kann sie auch keine Vorstellung von Moral haben …
KI hat immer nur die Moral, die wir ihr geben! Sie sammelt, kombiniert und überträgt Wissen. Und damit ist sie in vielen Fällen leider auch ein Spiegel für unsere eigenen Vorurteile und Handlungsmuster.
Wie meinen Sie das?
Nehmen wir ein Beispiel aus dem Personalbereich: Hier gibt es KI-Anwendungen, die lernen, aus bestimmten Kriterien die geeigneten Kandidaten für eine Stelle auszuwählen. Wir wissen aber, dass in bestimmten Berufsfeldern aus verschiedenen Gründen fast nur Männer aktiv sind. Da werden Sie es nie schaffen, diese Positionen auch Frauen anzubieten, solange Sie sich nur auf einen bestimmten Algorithmus verlassen, da dieser sich ausschließlich am Status quo orientiert und diesen immer wieder bestätigt. KI kann also auch recht dumm sein.
Was muss passieren, damit wir KI sinnvoll im Arbeitsleben anwenden? Was sollten wir uns bewusst machen?
KI kann uns keine Handlungsempfehlungen geben, weil sie kein konzeptionelles Verständnis von wirtschaftlichen und sozialen Prozessen in Unternehmen hat. Aber sie kann uns dabei helfen, bessere Entscheidungen zu treffen – besser auch im Sinne von „nachhaltiger“, „sozialer“, „verantwortungsvoller“. Für Tätigkeiten, die nicht standardisiert sind, ist KI nicht geeignet. Das sollten wir uns klarmachen. Kreativ dürfen wir also weiterhin bleiben – und ich finde, das ist eine gute Nachricht! •
Im Januar 2019 hat die Heinrich- Heine-Universität Düsseldorf (HHU) die Manchot-Forschungsgruppe „Entscheidungsfindung mithilfe von Methoden der Künstlichen Intelligenz“ eingerichtet. Sie soll die KI-Forschung an der HHU vernetzen und ihre Anwendung in allen Fakultäten der Uni vorantreiben. Forscher aus den Bereichen Wirtschaftswissenschaften, Jura, Informatik, Medizin und Philosophie arbeiten dabei interdisziplinär zusammen. Die Jürgen Manchot Stiftung fördert das Projekt drei Jahre.
Autor: Elena Winter
VIVID 04 | 2019
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