Where’s the Beef?
Kennen Sie Oberhitzegrillen? In Profiküchen und richtig guten Steakhäusern wird nur mit extrem hohen Temperaturen von oben gearbeitet. Das Geheimnis der mit bis zu 900° C Temperatur arbeitenden Grills: Kein herabtropfendes Fett beeinträchtigt den Grillvorgang. Es entsteht eine gleichmäßige Kruste, aber innen bleibt das Fleisch saftig und zart. Einer der weltweit beliebtesten Oberhitzegrills stammt aus Düsseldorf. Es ist der Over-Fired Broiler von Otto Wilde Grillers, einem Start-up mit Firmensitz in Düsseldorf-Unterbilk. Slogan: Fleisch ain’t no Firlefanz.
Lautes Brutzeln und Knacken begleitet vom zischenden, einen vollmundigen Geschmack versprechenden Fleischsaft nebst einer fauchenden Flamme bilden ein Soundvolumen, das wie ein dröhnender Bass kurz vorm Songpeak den Atem stocken lässt, während Röstaromen die Mundsäfte entgleiten lassen. So oder ähnlich sehen Griller-Träume aus. Anzuschauen auf Instagram #oberhitzegrill. Ein Logo springt in den gezeigten Instagram-Filmen ins Auge. Es ist das rote Otto-Wilde-Emblem. Der Over-Fired Broiler, kurz: O.F.B., aus Düsseldorf hat es in wenigen Jahren zum beachtlichen Erfolg gebracht und wird mittlerweile in über 19 Länder geliefert. Die Kernmärkte sind Deutschland und die USA, dem mit Abstand größten Markt für Grills. Die Amerikaner lieben diese perfekte Kruste mit feinsten Röstaromen, die durch das Karamellisieren der Proteine beim Grillen entsteht, auch Maillard-Reaktion genannt.
• Gründung: 2015
• Kickstarter-Kampagne: 2016
• Gesammeltes Geld: in 30 Tagen 300.000 Euro
• Bisher verkaufte Grills: Rund 10.000 Stück
• Angestellte: 30
• Erhältlich über Otto Wilde und bei über 100 Einzelhändlern in Deutschland, Österreich und der Schweiz, z. B. bei Santos in Köln, Manufactum und KaDeWe in Berlin.
Es sind eben jene Aromen, die bei einem Grillabend im Hause Wilde vermisst werden. Otto, Julia und Nils Wilde plus das gefühlte Familienmitglied Alex Luik sind mit ihrem Ribeye nicht glücklich. Die Suche nach dem ultimativen Grill für den heimischen Garten startet. Für Namensgeber Ulrich Wilhelm Otto Wilde, Ingenieur im Ruhestand, Anlass genug, sein Know-how in das gemeinsame Projekt einfließen zu lassen und einen Prototypen in der Garage zu entwickeln. 2016 lancieren die vier ihre Marke Otto Wilde mit einer Kickstarter-Kampagne und sammeln in 30 Tagen 300.000 Euro. Otto Wilde landet bei Kickstarter in den Top-Ten der besten Food-Projekte. „Kickstarter kann ich jedem jungen Unternehmer empfehlen. Insbesondere, wenn man wie wir ein ganz neues Produkt entwickelt. Die Plattform ist ein perfekter Marktcheck“, erläutert Alex Luik. „Man merkt schnell, ob die Leute das Produkt verstehen und bekommt vor dem Start der Serien- fertigung Feedback.
„Wir hatten außerdem im Anschluss an die Kampagne eine richtige Community, die übrigens nach wie vor jedes Jahr eine Weihnachtskarte von uns bekommt.“ Alex Luik und Nils Wilde haben bereits vor Otto Wilde Erfahrung mit dem Start-up Springlane gesammelt. Das Food-Portal stellt unter eigenem Label Küchenmaschinen in modernem Design mit besonderen Features her. Die Produkte werden flankiert von einer „gram-ablen“ Bildsprache, redaktionellen Beiträgen und Rezepten, die mit allerlei Posts gepusht werden. Die Springlane-Eismaschine „Emma“ beispielsweise gehört bis heute zu den Topsellern bei Amazon. Das liegt nicht zuletzt an Blogger-Kooperationen von Springlane. „Es gibt neben Food-Bloggern mittlerweile auch einflussreiche Grill-Blogger, vor allem in den USA. Amazing Ribs zum Beispiel ist mit ungefähr einer Million Followern einer der größten Blogs und bietet vor allem Grill-Reviews“, so Luik. Und Otto Wilde versteht es, die Griller von Anfang an geschickt einzubinden.
Zu Beginn ist es der Mix aus Kickstarter-Community und Grill-Blogger, der für den nötigen Aufwind bei der Produktlancierung des O.F.B. sorgt. Otto Wilde hat den Vorteil, das junge, sympathische Family-Start-up zu sein. Statt hoher Honorare begnügen sich Influencer und Blogger mit einem Oberhitzegrill und prüfen das Produkt auf Herz und Nieren. Die Ergebnisse gehen live und erreichen Grill-Nerds weltweit. Im Gegenzug lädt Otto Wilde die Core-Community zu Events, Messen und mittlerweile auch mal nach Mallorca ein. „Wir haben uns überlegt, was die großen Marken nicht bieten können. Und das ist die authentische und persönliche Ebene. Also haben wir beispielsweise Workshops mit Bloggern gemacht oder Gin Tastings und sie in die Produktentwickelung einbezogen und gefachsimpelt“, erzählt Alex Luik gut gelaunt. Mittlerweile ist Otto Wilde auf Messen wie der Spoga, der weltweit größten Gartenmesse, ein fixer Treffpunkt, wo man sich schon zum Frühstück auf einen Kaffee trifft.
Authentizität ist immer ein Plus, klar. Aber die Wildes beherrschen die Klaviatur des Food-Marketings besonders pointiert. Der Rat für Formgebung hat dem Oberhitzegrill 2018 den German Design Award in „Excellent Product Design“ verliehen. Im Fackelträger Verlag ist das Buch „Oberhitze – Das O.F.B.-Grillbuch“ erschienen. Und online gibt es jede Menge Otto-Wilde-Merchandising wie Grillschürzen und Schneidebretter und sehr viel Content. „Die Aufmerksamkeitsökonomie unserer Zeit verlangt, dass man Kunden und Interessenten permanent Anregungen liefert,“ so Alex Luik. „Ein Produkt ist nur dann relevant, wenn man es häufig benutzen kann. Deswegen bieten wir Inspiration durch unseren Blog, Instagram und auch durch unser Buch.“ Rezepte wie gefüllte Calamari mit Fried Onions, Naan-Brot mit Egg Curry und Desserts wie mit Brandy und Marshmellows gefüllte Grilläpfel werden wohl auch in Zukunft die nötige Aufmerksamkeit garantieren. •
Firma: Otto Wilde Grillers GmbH
Benzenbergstr. 44, 40219 Düsseldorf
Autorin: Cynthia Blasberg
Bilder: Otto Wilde Grillers
VIVID 04 | 2019
Das ganze Magazin gibt es im Handel und im Abo.