Its Easy, Just Do it

Ihr Mann hat gesagt „mach´, nutze deine Chance!“, als ihr der Vorstandsposten bei den Stadtwerke Düsseldorf angeboten wurde. Für ihre Tochter (10) ist Charlotte Beissel die „Oberchefin“. Sie ist die erste Vorständin in dem mehr als 155 Jahre alten Unternehmen. Ein Umstand, um den die Juristin nicht viel Aufhebens macht. Obschon ihr klar ist, dass sie ein starkes Signal für weibliche Führungskräfte sendet. VIVID sprach mit der Frau, die ihren Beamtenstatus aufgab, in eine männerdominierte Branche einstieg, um nun die Energiewende und die digitale Transformation zu meistern.


Frau Beissel, Glückwunsch. Für fünf weitere Jahre wurden Sie als Vorstandsmitglied bestellt. Was sind Ihre Aufgaben?

Mein Verantwortungsbereich umfasst Personal, Digitalisierung und Konzern-IT, Vertrieb und Kundenmanagement. Oberstes strategisches Ziel ist der Umstieg auf erneuerbare Energien – wir als Stadtwerke wollen bis 2035 klimaneutral werden und zugleich Düsseldorf zu einer der nachhaltigsten Metropolregionen mit entwickeln. Unternehmensintern schaffen wir neue Arbeitswelten und stärken unsere bereichsübergreifende Zusammenarbeit. Darüber hinaus bin ich in unserem mitbestimmten Unternehmen als Arbeitsdirektorin die Vertreterin von rund 2200 Mitarbeitenden und deren Interessen. Wichtig ist deshalb, neben einer guten internen Kommunikationskultur, das Ohr in der Belegschaft zu haben. So weiß ich einerseits, was die Kollegen brauchen, um gute Arbeit leisten zu können, andererseits was das Unternehmen zu leisten vermag. Auf diese Weise kann ich oft schnell und direkt zu Lösungen beitragen.

Wo drückt der Schuh am meisten?

Durch meine Aufgabenfelder zieht sich wie ein roter Faden der Faktor Mensch – Mitarbeitende und Kunden. Beide sind von tiefgreifenden Veränderungen betroffen. Erstens das Arbeiten – Stichwort Homeoffice – hat sich disruptiv verändert. Wir müssen flexibel auf die Bedürfnisse (Elternzeit, geteilte Führung, Sabbaticals, Zeit für Pflegearbeit) unserer Beschäftigten eingehen, die Organisation stärker atmend gestalten. Zweitens: Vor der Krise hat sich der Kunde im Jahr durchschnittlich fünf Minuten mit seiner Energieversorgung beschäftigt. Inzwischen will er selbst Produzent von Strom, Wärme und Wasser sein mit Solaranlage auf dem Balkon oder PV-Anlage auf dem Dach, Ladestation und Wärmepumpe. Der Wandel hin zum „Prosumer“ macht Energieversorgung komplexer und bedeutet für uns, auch dann - wenn die Sonne nicht scheint – fair und sicher Energie zu liefern.

Die Rede ist von einem Mix aus geänderten Kundenanforderungen, Fachkräftemangel, gesetzlicher Regulatorik und komplexer Energiewende. Investitionen in neue Netze und digitale Kanäle sind notwendig, oder?

Keine Frage. Gemeinsam mit der Stadt haben wir geplant, bis 2030 bis zu zwei Milliarden Euro in neue nachhaltige Infrastruktur zu investieren. Die Stadtwerke versorgen die Bürger mit lebenswichtigen Produkten und decken in der Landeshauptstadt 75 Prozent des Marktes ab. Und: wir leben vom direkten Austausch mit dem Kunden, der beraten werden will. Wir Energieversorger müssen transparent informieren, erklären und zuhören. Mitarbeiter und Kunden sind Eigentümer, Mieter, Bürger und Steuerzahler. Sie gestalten und finanzieren das Ganze mit. Auf ihr Mitwirken und Zutrauen kommt es an.

Durch meine Aufgabenfelder zieht sich wie ein roter Faden der Faktor Mensch.

In dem modernen Gebäude am Höherweg 100 im Düsseldorfer Stadtteil Flingern sitzen die Stadtwerke Düsseldorf und die AWISTA seit 2001.

Was bedeutet dies konkret?
Wir brauchen Fachkräfte und entwickeln die Arbeitskultur im Unternehmen weiter. Die drei D’s - Diversität, Digitalisierung, Demographie - sind dabei unsere Treiber. Fakt ist: Wir sind ein tradiertes Unternehmen mit Beschäftigten, die im Durchschnitt 21 Jahre bei uns arbeiten und durchschnittlich 48 Jahre alt sind. Ein Drittel der Belegschaft wird uns verlassen. Um als Arbeitgeber attraktiv und inklusiv zu sein, ist geplant, den Frauenanteil bis 2030 von bisher 20 auf mindestens 30 Prozent zu erhöhen, aber auch noch diverser zu werden was Alter oder Herkunft betrifft.

Gute Personal- und Führungsarbeit ist für die Unternehmensentwicklung entscheidend. Wo setzen Sie Schwerpunkte?
Für die digitale Transformation ist die Arbeit mit Menschen ebenso wichtig wie moderne Technologie. Alle reden von KI. Doch intelligente Prozesse und Geschäftsmodelle werden von Menschen gestaltet. Das heißt, wir müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (2023 haben wir fast 300 Stellen besetzt) für Veränderung öffnen, sie befähigen und für die Digitalisierung weiter qualifizieren. Dazu gehören neue Arbeitswelten: Büros werden derzeit umgebaut. Aber es gibt auch kleine Stellschrauben, die das Wir-Gefühl stärken. Ein Beispiel ist das „Becherwerk“ – unser neues Café, so genannt nach dem historischen „Kohleaufzug“ hier am Standort. Unsere Schreiner haben die Einrichtung nach den Ideen der Kollegen gebaut und zusammen mit einem Kaffee und den Fußballern von „Fortuna“ an der Wand (die berühmte Fotografie von Andreas Gursky), wird daraus ein Ort der Begegnung für alle. Vieles ist so einfach, man muss es nur machen.

Dr. Charlotte Beissel (2.v.r.) engagiert sich wie bei der Aktion „Düsseldorf setzt ein Zeichen“ der Bürgerstiftung Düsseldorf“ mit (v.l.) Sabine Tüllmann, Heike Vongehr, Regisseur Sönke Wortmann und Valentin Baus (Rollstuhltischtennisspieler bei Borussia Düsseldorf).

Sie wirken besonnen, durchsetzungsstark und empathisch. Was bringt sie um den Schlaf?
Wenn, dann sind es krisenhafte Zustände wie in den letzten Jahren, in denen Lösungen und Entscheidungen ad hoc im Tagesgeschäft gefragt sind. Dann beweist sich gutes Krisenmanagement und schafft Vertrauen.

Wie entscheidungsfreudig sind Sie?
Sehr. Jedoch erst wenn ich 360 Grad auf die Themen geschaut und mir beim Schulterblick die Einschätzung unserer Experten- Teams angehört habe. Ohne diese Schwarmintelligenz wäre der Job nicht machbar.

Welche Rolle spielt die Familie?
Meine familiäre Situation funktioniert praktisch - wir wohnen in der Innenstadt, meine komplette Familie lebt hier, was ein großes Geschenk ist.

Sie gelten als bestens vernetzte Person, bringen gern Menschen zusammen.
Teil unseres Erfolges ist der Kontakt nach außen, das Ohr in der Stadt zu haben. Ich liebe meine Heimatstadt und empfinde es als Privileg, sie mitzugestalten. Dabei hat Düsseldorf die perfekte Größe: Man sieht, was man tut.


Ich liebe meine Heimatstadt und empfinde es als Privileg, sie mitzugestalten.

Sie engagieren sich beim Kinderschutzbund und beim Deutschen Roten Kreuz. Auf Social Media machen Sie auf die Nöte von kleinen Menschen aufmerksam. Schreiben Sie die Posts selbst?
Ja. Ich mag Sprache, arbeite gern an Texten und nutze die Plattform in vielerlei Hinsicht, unter anderem als Informations- und Austauschkanal nach extern und als internes Sprachrohr. Ein weiterer Vorteil: Wir als Vorstand werden so nahbarer.

Wo tanken Sie persönlich auf?
Beim Tischtennis-Rundlauf. Wer mit mir im Stadtwerke-Park Rundlauf spielen will, ist willkommen, wir haben genügend Schläger. Am meisten begeistert und inspiriert mich jedoch die Kultur – Kunst, Architektur, Design und Musik.

Apropos Kunst, die überall in den Räumen der Stadtwerke hängt. In ihrem Büro fällt ein Wand-Objekt ins Auge – ein kunstvoller Falter.
Schmetterlinge sind einfach zauberhaft. Faszinierend wie die Meister der Metamorphose sich entpuppen, entfalten und entwickeln. Eines meiner Lieblingsschmuckstücke ist eine goldene Libelle. •


ABOUT CHARLOTTE BEISSEL

Geboren wurde die 45-Jährige in Düsseldorf. Nach dem Jura-Studium promovierte sie an der Heinrich-Heine- Universität, bevor sie beim Bundesverband Deutscher Stiftungen in Berlin arbeitete. Ihre Karriere begann im Düsseldorfer Rathaus, wo sie zuletzt Amtsleiterin für Personal, Organisation und IT war. Als Prokuristin leitete sie seit 2017 den Personalbereich bei den Stadtwerke Düsseldorf. 2021 ist sie als Personalvorständin und Arbeitsdirektorin ins Vorstands-Team gewechselt. Inzwischen verantwortet die bis 2029 bestellte Vorständin die Bereiche Personal, IT und Vertrieb.


Interview: Dagmar Haas-Pilwert
Pictures: Stadtwerke Düsseldorf, Bürgerstiftung/ Holger Stoldt,