Sustainable City
Europäische Metropolen wie Kopenhagen, Paris oder Oslo machen es vor: Sie sind auf dem besten Wege, klimaneutrale Städte zu werden. Welche Konzepte hat man in Düsseldorf, um diesem Vorbild zu folgen?
Auch wenn die Corona-Pandemie derzeit das allumfassende Thema ist: Hinter der nächsten Ecke lauert schon das weitaus größere Problem, der Klimawandel. Große Städte und Ballungsgebiete stoßen viel zu viele Emissionen aus – höchste Zeit, diesen Output mit gezielten Maßnahmen zu verringern. Nachhaltige Städteplanung ist dabei ein wichtiger Faktor.
Auch in Düsseldorf prägen nachhaltige Projekte vermehrt das Stadtbild, wie z. B. der Kö-Bogen 2 am Gustaf-Gründgens-Platz: Die acht Kilometer Hainbuchenhecke aus über 30.000 heimischen Laubbäumen des Düsseldorfer Architekturbüros Ingenhoven Architects ist Europas größte Grünfassade. Beim Bauprojekt The Cradle, das gerade im Medienhafen entsteht und Düsseldorfs erste Holzhybrid-Immobilie werden soll, ist der Name Programm. Das Gebäude wird nämlich nach dem „Cradle to Cradle“-Prinzip gebaut, bei dem einzelne Bauelemente nach Gebrauch wiederverwertet werden können.
Betonflächen werden zu Insektenwiesen
Eine Entwicklung, die auch Thomas Loosen, Leiter des Amtes für Umwelt- und Verbraucherschutz in Düsseldorf, bestätigt: „Im Rahmen der Bauanträge ist ein Trend zu mehr Grün und energieeffizienten Baustandards abzulesen.“ Auch die Politik hat zu diesen Themen in der kürzlich vereinbarten Kooperationsvereinbarung zwischen CDU und Bündnis 90/Die Grünen ein klares Bekenntnis abgelegt. Eine wichtige Maßnahme gegen den Klimawandel ist die Entsiegelung von Schulhöfen, die unter der Federführung des Schulverwaltungsamtes in Kooperation mit der Bürgerstiftung Düsseldorf durchgeführt wird. „In den nächsten Monaten werden an mehr als einem Dutzend Düsseldorfer Schulen versiegelte Flächen wie Beton- oder Steinböden abgetragen und gemeinsam mit den Kindern und Lehrkräften in blühende Insektenwiesen und naturnahe Flächen umgewandelt“, so Thomas Loosen. Hierfür steht eine Million Euro zur Verfügung – ausreichende Mittel, um einige tausend Quadratmeter entsiegeln zu können.
Entsiegelung reduziert die sommerliche Hitzebelastung, verbessert die Staubbindung und erhöht die Luftfeuchtigkeit.
Entsiegelungen liefern nicht nur einen Beitrag zum Bodenschutz, sondern fördern auch die Lebensqualität. Die Verdunstung des Wassers verbessert das Kleinklima im Wohnviertel, und es werden optimale Bedingungen für neue Grünflächen wie z. B. Wildblumenwiesen geschaffen. Die kommen der Biodiversität zugute und locken Insekten an, die eins der wichtigsten Nahrungsmittel für Vögel darstellen. Entsiegelung kann aber noch viel mehr: sie reduziert die sommerliche Hitzebelastung, verbessert die Staubbindung und erhöht die Luftfeuchtigkeit; die Zwischenspeicherung von Regenwasser auf Dächern oder in begrünten Häfen soll zudem eine Entlastung von Kanalisation, Kläranlagen und Vorflutern gewährleisten. Bei der Entsiegelung bzw. Begrünung von Flächen ist die Landeshauptstadt auf die Unterstützung seiner BürgerInnen angewiesen und hat daher das Programm „Dach-, Fassaden- und Innenhofbegrünung“ (DAFIB) ins Leben gerufen, die private Flächen in kleine Biotope umwandeln möchte. Hierzu stellt die Stadt Düsseldorf Fördermittel bis zu 20.000 Euro pro Antrag zur Verfügung, lt. Thomas Loosen kommt man Stand Oktober 2020 für ganz Düsseldorf auf 2.063.700 m2 begrünter Dach- und Tiefgaragenflächen. Auch immer mehr Fassaden und Innenhöfe werden im Rahmen des Förderprojekts in grüne Oasen verwandelt.
Aber nicht nur Privatleute, auch Unternehmen sind hier gefragt. Ein gutes Beispiel liefert Telekommunikationsanbieter Sipgate, der einen Parkplatz in einen Park verwandelt hat. „In der aktuellen Pandemiesituation dient uns dieser Hof als fantastische Retreat-Area. Alle können Corona-konform miteinander draußen arbeiten“, freut sich Sigurd Jaiser, Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung bei der Sipgate GmbH. Für das leibliche Wohl sorgt dabei die Blaue Bude, eine Art Kiosk, der die Mitarbeiter, Kunden und Gäste mit kostenlosen Getränken und Speisen versorgt.
Nachhaltigkeit bedeutet neben grünen Aspekten vor allem, dass eine Stadt lebenswert für ihre Bewohner/Innen ist.
Bei der Umsetzung für den Umbau hat Sipgate in allen Bereichen auf eine nachhaltige Bauweise geachtet. „Wir haben den ganzen Schutt entsorgt, der bei dem alten Parkplatz verbaut wurde und ihn durch wasserdurchlässigen Asphalt und Kiesoberflächen ersetzt, über die das Regenwasser ungebremst ablaufen kann“, erklärt Jaiser. „Wir achten sehr auf Materialien, nutzen Holz aus heimischen Wäldern und wählen es so aus, dass es möglichst wenig mit Chemikalien gepflegt werden muss. Zudem haben wir einen Fokus auf Biodiversität gelegt, indem wir alles mit Rindenmulch abgedeckt haben, in dem sich Insekten ganzjährig wohlfühlen.“ Hinzu kommen ein Dutzend Bienenstöcke, die für die Bestäubung verantwortlich sind. „Es gibt sogar einen extra Bereich für Wespen und Hummeln. Gartenlandschaftsbau ist sehr komplex, daher haben wir uns hier auch einen Experten dazu geholt, der uns bei der Bepflanzung beraten hat.“ Zusätzlich ist das Dach der Blauen Bude begrünt worden, auf denen des Bürogebäudes hat man Solaranlagen angebracht. Auch sonst bemüht sich Sipgate um nachhaltige Konzepte in vielen Bereichen, die oft eine soziale Komponente haben und wurde sogar schon von Ökoprofit ausgezeichnet.
Apropos soziale Komponente: Nachhaltigkeit bedeutet neben grünen Aspekten vor allem, dass eine Stadt lebenswert für ihre BewohnerInnen ist und der Mensch und nicht das Auto im Mittelpunkt steht. Dass DüsseldorferInnen Teil von städtebaulichen Prozessen werden, wie das z. B. bei dem Entwicklungskonzept Raumwerk D der Fall ist (siehe Einleitungsartikel in dieser Ausgabe). Denn wenn die BürgerInnen die Stadtentwicklung mitgestalten können, ergibt sich die reelle Chance, dass sie auch wieder in den Mittelpunkt des urbanen Lebens rücken. •
Words Katja Vaders
Pictures PR, Landeshauptstadt Düsseldorf / Stefan Wenzel, INTERBODEN Gruppe / HPP, DZ BANK Düsseldorf, Sipgate